Gerd Ludwig, Michail Gorbatschow

Der lange Schatten von Tschernobyl

Deutsch, Englisch, Französisch

Bilder einer Katastrophe

Darf man über eine Katastrophe wie die von Tschernobyl ein Prachtband auflegen, im Großformat mit ästhetisch herausragenden Fotos, hervorragend gedruckt im Schuber, also ein echtes „Coffeetable“-Buch? Natürlich, muss die Antwort lauten. Denn dem Fotografen Gerd Ludwig und seinem Co-Autoren, dem früheren Präsidenten der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, geht es nicht um eine ästhetisch-künstlerische Ausbeutung des Unglücks, sondern vielmehr um eine Dokumentation der noch immer die Region nördlich Kiews und das Grenzgebiet Ukraine-Weißrussland beherrschenden Katastrophe ins Gedächtnis zurückzurufen.

Gerd Ludwig hat seit 1993 mehrfach die Gegend bereist. Er hat Krankenhäuser besucht, die versuchen, das Leid der Opfer – vor allem in den Jahren nach dem Reaktorunglück geborener Kinder – zu lindern, er zeigt die Geisterstadt Pripyat, in der die Natur allmählich die Spuren menschlicher Hybris tilgt, was allerdings noch Jahrhunderte in Anspruch nehmen wird und er war auch im Kraftwerk selbst sowie dem „havarierten“ – wie der offizielle Euphemismus heißt – Block 4. Seine Bilder sind beeindruckt. Hier verbindet ein exzellenter Fotograf die ästhetische Kunst mit Anteilnahme und einem mitfühlendem Blick, der je nach Objekt, auch kühl dokumentarisch sein kann.

Das Buch ist in einzelnen Kapiteln nichts für sensible Gemüter, machen manche Bilder doch den Horror der Katastrophe spürbar. Aber es ist der Versuch eines engagierten Fotografen und eines auf anspruchsvolle Bildbände spezialisierten Verlags, Tschernobyl noch etwas länger vor dem Vergessen zu bewahren, das vor allem geeignet ist, weitere Unglücke dieser Art heraufzubeschwören.

Stefan Vockrodt

Überblick

Gerd Ludwig, Michail Gorbatschow:

Der lange Schatten von Tschernobyl

252 Seiten, Hardcover, Schuber, 29 x 31 cm, 127 Fotos

Edition Lammerhuber: Baden 2014

ISBN: 3901753664, 75,00 €