Thomas Liebsch

Zivilisationskollaps

Warum uns der Zusammenbruch droht und wie wir ihn noch abwenden können

So verhallt die Warnung

Wer beabsichtigt, einen Artikel oder ein Buch zu schreiben, dem sei empfohlen, zunächst drei W-Fragen zu stellen: Wer soll mein Werk lesen? Was will ich meinen Leser*innen mitteilen? Und: Wie erzähle ich es? Daran mangelt es leider dem vorliegenden Buch von Thomas Liebsch, das zuerst als Book on Demand (BoD) und nun bei oekom erschienen ist. Auf mehr als 500 Seiten versucht der Autor, die Leser*innen vor dem drohenden Kollaps unserer kapitalistischen Zivilisation infolge von Klimawandel, Ressourcenübernutzung, Überbevölkerung und anderen Ursachen zu warnen und Chancen aufzuzeigen, wie wir unserem Untergang noch entgehen könnten.

Das ist so nichts Neues, seit rund 50 Jahren warnen uns Wissenschaftler*innen und viele gutmeinende Menschen vor dem drohenden und möglicherweise unausweichlichen Kollaps der Industriegesellschaften. Nun also noch ein Buch zum Thema. Will ich das Werk bewerten, so sage ich: Interessant missglückt. Das ist kein Lob. Denn obgleich Liebsch eine ungeheure Fülle an Material zusammenträgt, viele altbekannte und auch manche weniger geläufige Fakten präsentiert, so vermag das Buch den Leser nicht bei der Stange zu halten. Der Autor schreibt ex trem weitschweifig, mit schier endlosen Wiederholungen über den Wachstumszwang, der seiner Meinung nach mit dem Ackerbau im Neolithikum in die Welt kam und nun zum Totalkollaps führt. Inhaltlich ist das durchaus diskutabel, der Stil jedoch: unmöglich.

So verschenkt er viel Platz und verliert wohl auch viele Leser, indem er über mehrere hundert Seiten hinweg Dinge erzählt, die er kürzer und prägnanter hätte fassen können, nein müssen, um dann auf den letzten vier Buchseiten einen „Schlüssel zu unserer Rettung“ zu präsentieren, den er darin sieht, dass sich die Menschheit (er schreibt ständig von der Menschheit, ohne zwischen Nord und Süd, Arm und Reich und weiß und nichtweiß zu differenzieren), „komplett von ihren umweltzerstörenden Wachstumszwängen befreit und eine ökologisch-soziale Zivilisation errichtet. Die würde planvoll schrumpfen, um innerhalb der planetaren, ökologischen Grenzen weiter existieren zu können.“ Davon abgesehen, dass auch das nichts Neues ist, bleiben doch entscheidende Fragen ungestellt. Wie sollen denn diese Negativ-Wachstumsgesellschaft und Ökonomie aussehen? Wer soll das in den kommenden dreißig Jahren umsetzen? Geht das demokratisch? Hier flüchtet sich Liebsch leider sehr ins esoterisch-vag Nebulöse.

So gut und richtig der Versuch ist, wieder einmal eine Warnung an die Welt zu richten, so bleibt bei allen „Post-WachstumsUtopien“ immer die Grundfrage offen: Wie schaffen wir den Übergang? Wenn dafür kein gangbarer Weg gefunden wird, dann wird es über katastrophale Krisen gehen (müssen). Für diese Erkenntnis kann das Buch nützen.

Ich habe hier die BoD-Ausgabe herangezogen, deren Titel noch dramatischer formuliert ist. Bleibt: Das Anliegen wie auch gewisse Thesen von Thomas Liebsch verdienen, beachtet und diskutiert zu werden.

Stefan Vockrodt

Überblick

Thomas Liebsch:

Zivilisationskollaps

536 Seiten

oekom Verlag, München, 2020

ISBN 978­3­96238­229­2, 18,99 € eBook