Daniel Häni, Philip Kovce

Was fehlt, wenn alles da ist?

Warum das bedingungslose Grundeinkommen die richtigen Fragen stellt

Eine etwas andere Buchbesprechung

Zugegeben, für jemanden, der, wie der Rezensent, alles durchgemacht hat von Arbeitslosigkeit bis zum „guten“ Job, ist ein bedingungsloses Grundeinkommen schon fast so etwas wie ein rotes Tuch; doch halt, die Lektüre dieses Buches, das sich vor allem mit der Schweizer Volksinitiative zum Thema beschäftigt, macht neugierig.

Leider verlieren sich die Autoren recht bald in philosophischen Betrachtungen über Ethik und Moral, was unseren Umgang mit schwächeren Menschen angeht. Was konkret mit bedingungslosem Grundeinkommen gemeint ist, wie dieses ggf. zu finanzieren wäre und welche wirtschaftlichen Konsequenzen zu erwarten wären, wird nicht wirklich nachvollziehbar dargestellt. Schade!

Eine Quellenangabe weist jedoch in Richtung Thomas Straubhaar, Wissenschaftler am Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Institut. Nach der Lektüre des Beitrags: „Bedingungsloses Grundeinkommen und Solidarisches Bürgergeld – mehr als sozialutopische Konzepte“ wird doch manches klarer: Straubhaar et al. fordern einen kompletten Ersatz unseres bisherigen intransparenten, kaum noch finanzierbaren Sozialsystems durch ein bedingungsloses Grundeinkommen. Auch die Finanzierung dieses bedingungslosen Grundeinkommens scheint machbar, wenn man folgende Tatsachen bedenkt: „In wirtschaftlich besseren Zeiten sind die Ansprüche an den Staat gewaltig ausgebaut worden. Das betrifft vor allem die Sozialleistungen. Sie beanspruchten in Deutschland 1970 gut 40 % aller Staatsausgaben. 2005 sind es fast 60 %. Die Bruttoinvestitionen hingegen machen heute nur noch 3 % der Staatsausgaben aus, 1970 waren es noch 12 %.“

Und weiter: „Das Konzept des Grundeinkommens liefert eine radikale Alternative zum nicht mehr zukunftsfähigen Modell der heutigen Sozialpolitik. Es geht darum, die komplexe und wenig effiziente deutsche Umverteilungsmaschinerie zu vereinfachen und zu verbessern. Das undurchschaubare Geflecht von personenbezogenen Steuern, Abgaben und Transfers soll zu einem einzigen universalen Steuer-Transfer-Instrument zusammengezogen werden. Mit diesem Nettoprinzip kann ein durch die Politik festzulegendes Umverteilungsziel wesentlich zielgenauer erreicht werden als mit dem heutigen Bruttoprinzip ... So gesehen ist im Kern die Idee eines bedingungslos gewährten Grundeinkommens nichts mehr als eine fundamentale Steuerreform.“

Straubhaar nennt auch Eckpfeiler des Grundeinkommens:

„Der Staat lässt allen Staatsangehörigen eine auf der Höhe des Existenzminimums liegende Transferzahlung zukommen, die aus dem allgemeinen Staatshaushalt über Steuern finanziert wird.

Das Grundeinkommen wird allen Deutschen, ob Säugling oder Greis, von der Wiege bis zur Bahre, ohne Bedingung, ohne Gegenleistung, ohne Antrag und damit ohne bürokratischen Aufwand als sozialpolitischer Universaltransfer ausbezahlt.

Im Gegenzug werden alle steuer- und abgabenfinanzierten Sozialleistungen abgeschafft. Gesetzliche Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- oder Pflegeversicherung verschwinden genauso wie Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Wohn- und Kindergeld.

Das Grundeinkommen ist ein sehr zielgenaues sozialpolitisches Konzept. Alle, die Hilfe benötigen, werden auf jeden Fall unterstützt... Dass auch Gutverdienende und Vermögende das bedingungslos gewährte Grundeinkommen erhalten, ist jedoch nichts anderes als ein in anderer Form gewährter Steuerfreibetrag in Höhe des Existenzminimums – so wie er bereits heute in Deutschland allen gewährt werden muss.“

Die Autoren errechnen ein Grundeinkommen von etwa 7.500,00 €/a (2008), immerhin! Das vorliegende Buch ist mit diesem Hintergrundwissen durchaus lesenswert – und aus Saulus wurde ein Paulus.

Reinhard Siekmann

Überblick

Daniel Häni, Philip Kovce:

Was fehlt, wenn alles da ist?

192 Seiten, Hardcover

Orell Füssli: Zürich 2015

ISBN 978-3-280-05592-2, 19.90 €