Geschichte der Zukunft
Prognosen, Visionen, Irrungen in Deutschland von 1945 bis heute
Vom Morgen, das gestern neu war und heute vorbei ist
Joachim Radkau hat sich wie kein anderer Zeithistoriker mit der Geschichte politisch bedeutender Bewegungen im Deutschland nach 1945 befasst. Seine „Geschichte der Ökologie“ oder auch seine Bilanz der deutschen Atomwirtschaft („Aufstieg und Fall der deutschen Atomwirtschaft“, s. UZ 1/2014) können jeweils den Rang eines Standardwerks beanspruchen. Nun also liegt ein neuer Radkau vor: „Geschichte der Zukunft“.
Es handelt sich dabei um eine Schilderung der diversen Visionen und Zukunftsvorstellungen, Hoffnungen und Irrtümer, die Deutschland seit 1945 prägten. Und geprägt haben viele dieser „Prognosen, Visionen, Irrungen“ – so der Untertitel – unsere aktuelle Geschichte. Manche davon mehr, als uns lieb sein kann.
Eine Kernthese des Autors ist dabei der Einfluss überraschender und eben gerade nicht vorhersehbarer und nicht vorhergesehener Entwicklungen. Wesentlich dafür ist – nach seiner Darstellung – das „Wirtschaftswunder“, das aber sehr wohl absehbar war, als sich im Zuge des schärfer werdenden Kalten Krieges die Westmächte auf (West-) Deutschland als potenziellen Verbündeten (und bevorzugtes Schlachtfeld) besannen. Das ist aber nur ein Aspekt, denn Radkau betrachtet parallel zur alten Bundesrepublik auch die frühere DDR, deren Aufbau ungleich schwieriger war.
Das Buch gliedert sich in zwölf Hauptkapitel, die neben politischen vor allem diverse ökonomische und technische Zukunftsvisionen betrachten. Dabei folgt Radkau durchaus einer Chronologie, denn jedes Kapitel lässt sich auch einer Epoche der deutschen Nachkriegs- und Gegenwartsgeschichte zuordnen.
Das Buch endet dann schließlich sehr aktuell mit einem Ausblick auf die Digitalisierung der Wirtschaft („Industrie 4.0“) und die Herausforderungen für die Umweltbewegung. Abschließend stellt der Autor zehn Thesen auf, die sich durchaus auf Mark Twains Bonmot reduzieren lassen, der da sagte: „Prognosen sind schwierig, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen“. Aber man tut Radkaus ungemein lesenswertem und informativem Buch Unrecht, wollte man es dabei bewenden lassen. Im Gegenteil: Die Einsicht, dass sich die Zukunft nicht vorhersagen lässt und es oft ganz anders kommen wird, als man heute ahnt, sollte einem gerade angesichts unserer gegenwärtigen Probleme und Krisen vor allzu apodiktischen Urteilen und Forderungen bewahren.
Stefan Vockrodt
Überblick
Joachim Radkau:
Geschichte der Zukunft
544 Seiten, gebunden, erhältlich als e-Book
Hanser: München 2017
ISBN : 978-3-446-25463-3, 28,00 €