Gerhard Trommer

Niemandland

Leibhaftig, einsam, fern und wild – Naturerfahrungen zwischen Metropole und Wildnis

Wildnis und Wildnis-Erfahrung ist das Thema dieses Buches.

„Niemandland“, das sind Landschaften, in denen keine Menschen sind, die anscheinend niemandem gehören und die keinerlei wirtschaftlicher Verwertung unterliegen.

Ich empfehle Ihnen, die Lektüre auf Seite 229 zu beginnen. Nach einer kurzen Vorgeschichte folgt ein „Exkursionsbericht“. Er führt in das norwegische Fjell, in die Hochebene knapp unterhalb der skandinavischen Gletscher.

Im Frühsommer 1998 waren 19 Studierende und ihr Professor dort unterwegs. Davon blieb ein Aktenordner mit Beobachtungen, die die Teilnehmer*innen jeweils für sich als Tagebuch angefertigt haben.

106 anonymisierte Notizen gehören zu den 11 Tagen dort oben im Fjell. Das Ziel war nicht, eine biologische Bestandsaufnahme zu liefern oder eine sportive Wanderleistung zu vollbringen. Nein, es ging allein darum, dort zu sein. Was ist zu sehen, zu hören, zu entdecken, und wie fühlt es sich an? Man kehrt verändert in die „Zivilisation“ zurück.

Irgendwie verschiebt sich das Bezugssystem.

Durch das Buch zieht sich eine Kette von Er fahrungsberichten. Es sind Reisen, die der Autor seit 1983 vor allem in den USA unternommen hat. Wildnisgebiete finden sich dort im Nordwesten, montane Regenwälder, und im Südwesten halbwüstenartige Landstriche.

Man lernt, dass die vielgerühmten Nationalparks von Anfang an mit touristischer Erschließung verbunden waren.

Die tatsächlich unberührten Gebiete (engl.: wilderness) sind etwas anderes; einige inzwischen auch gesetzlich geschützt.

Die Berichte heben sich deutlich von sonstigen Reiseschilderungen ab.

Worin der Unterschied liegt? Es ist die Wahrnehmungsperspektive (vgl. S. 234).

Das Buch funktioniert als eine Art von Collage. Eingestreut finden sich immer wieder kürzere und längere Reflexionen, auch zu Liedtexten und Filmen, daneben historische Exkurse, Notizen zu gesuchten oder zufälligen Begeg nungen und einige Skizzen und Fotos.

Erstaunlich, wie sich dies alles zwang los zusammenfügt.

Echte Wildnis entzieht sich einer akademisch-systematisierenden Erfassung. Wie sich Perspektiven verändern können, zeigt dieses Buch.

Robert Slawski

Überblick

Gerhard Trommer:

Niemandland

320 Seiten

Verlag Natur+Text, Rangsdorf 2019

ISBN 978-3-942062-37-4, 19,90 €