Annette Jensen

Wir steigern das Bruttosozialglück

von Menschen, die anders wirtschaften und besser leben

Auf zum „guten Leben“

Der Buchtitel klingt viel versprechend. Denn die Idee, den Fortschritt eines Staates nicht am Bruttoinlandsprodukt zu bemessen, sondern am Glückszuwachs der Bürger klingt bahnbrechend.

Diese Vision hat das im Himalaya liegende und überwiegend buddhistisch geprägte Königreich Bhutan schon umgesetzt. Sie messen den Zustand des Landes nicht allein am Wirtschaftswachstum, sondern streben ein Gleichgewicht zwischen materiellem und spirituellem Wohlergehen an.

Doch wie schaut es bei uns aus? Die Autorin Annette Jensen begibt sich auf die Suche nach Menschen, die unser Bruttosozialglück steigern sollen. Sie stellt einige interessante Vorhaben vor. Zum Beispiel das Projekt zweier mutiger Studenten, die zusammen in den Bau eines Windrades investierten und so unabhängig von den großen Konzernen nun eigenen Strom erzeugen können. Auch die Braunschweiger Firma Auro wird vorgestellt, die mit ihrer Idee äußerst erfolgreich ist, chemische Produkte aus Pflanzen herzustellen.

Teilweise stellt sich die Frage, ob das ein oder andere Vorhaben sich langfristig bewährt. Die Idee der Gemeinde Güssing, ein nachhaltiges Heizkraftwerk mit im Wald liegenden Durchforstungsholz zu betreiben, wird von der Autorin überschwänglich gelobt. Sie hinterfragt jedoch nicht, ob das im Wald liegende Holz nicht auch für das Ökosystem Wald nützlich sein könnte.

Schon an den Kapitelüberschriften Energie, Verkehr, Landwirtschaft, Banken und Produktion von Alltagsgegenständen wird deutlich, dass ausschließlich wirtschaftliche Themenbereiche angesprochen werden. Dabei verliert sich die Autorin leider allzu oft in Rechenspielen zu Kilowattstunden, Investitionssummen und Renditen. Oder beklagt bei der Produktion moderner High-Tech-Produkte die Knappheit seltener Metalle.

Beim Lesen wird man des Öfteren skeptisch. Gehören zum Glück nicht mehr als grüne Kilowattstunden und Umweltpolitik? Wie steht es mit der Zeit für zwischenmenschliche Beziehungen? Wie um gerechte Löhne, um Chancengerechtigkeit und Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung? Tragen zum Glück nicht auch Gesundheit und Zugang zu guten Ärzten, Freiheit und ein gewisses Maß an Sicherheit bei? Und wie ist es um die vielen Glücklichmacher aus sozialen Projekten bestellt? Die Liste könnte weiter fortgesetzt werden.

Dennoch ist es ein positives Buch. Es verharrt nicht im „So geht’ s nicht weiter!“, sondern zeigt zukunftsweisende Ideen auf. Diese machen Mut, selbst das Glück am Schopf zu packen.

Michael Ohnsorge

Überblick

Annette Jensen:

Wir steigern das Bruttosozialglück

240 Seiten, kartoniert

Herder: Freiburg 2011

978-3-451-30404-0, 16,95 €