Vittorio Magnago Lampugnani

Die Stadt im 20. Jahrhundert

Visionen, Entwürfe, Gebautes

Die Stadt im permanenten Wandel

Ein anderer Verlag hätte aus diesem Buch wohl eine „Coffee table“ Edition gemacht: großformatig, Hardcover, schweres Kunstdruckpapier. Teuer, edel – das Buch, das Neureichs ins Wohnzimmer legen um Bildung vorzutäuschen. Doch Verleger Klaus Wagenbach macht daraus ein zugegeben gewichtiges aber vor allem ein Lesebuch.

Denn trotz sehr edler Aufmachung in Schuber und entsprechendem Preis ist Vittorio Magnago Lampugnanis Konvolut „Die Stadt im 20. Jahrhundert“ ein Buch zum Lesen, Genießen, Nachdenken und Vor- und Zurückblättern. Der Autor, Architekt und   Professor für Stadtgeschichte an der ETH Zürich, nimmt den Leser mit auf die Reise durch die Stadt des 20. Jahrhunderts. Er spannt den Bogen weit von der Gartenstadt, die um 1910 ein neues Wohnideal darstellte zur Stadtmaschine Le Corbusiers und anderen totalitären Stadtvisionen hin zum Konservatismus eines Leon Kriers – in den insgesamt 28 Kapiteln geht es rund um die Welt des Städtebaus der letzten 100 Jahre. Ob Wolkenkratzer oder technokratische Stadtutopien der 1960er-Jahre, Lampugnanis stellt die Konzepte und ihre Vordenker vor, vergleicht und bewertet sie und versucht Zusammenhänge und Verbindungen herzustellen

Das Ganze ist außerordentlich lesenswert, reich bebildert und manchmal möchte man zu entsprechenden Stadtplänen greifen um die Pläne mit der Wirklichkeit (jener, die der Stadtplan für ein bestimmtes Jahr widerspiegelt) zu vergleichen. Letztendlich gilt aber das, was Lampugnani in Anlehnung an den Italienischen Architekten und Architekturkritiker Aldo Rossi so zusammenfasst: „... Verständnis von Stadt: als einzigartiger, unwiederholbarer, unverwechselbarer Ort, aber auch als Ort des Chaos, wo jeder Versuch, Ordnung von oben zu schaffen, zum Scheitern verurteilt ist, zumal nur von unten her das Chaos domestiziert und lyrisch überhöht werden kann.“

Allerdings enden Lampugnanis Betrachtung mit dem (echten) Ende des 20. Jahrhunderts um 1992, als mit den olympischen Spiele in Barcelona einen einzigartigen Höhepunkt des Städtebau erreicht wurde, der seither in postmoderne Beliebigkeit zerfaserte. Oder wie anders will man Müllarchitektur wie die Braunschweiger Schlossattrappe erklären?

Stefan Vockrodt

Überblick

Vittorio Magnago Lampugnani:

Die Stadt im 20. Jahrhundert

912 Seiten, Großformat, zwei Bände im Schuber

Verlag Klaus Wagenbach: Berlin 2011

978-3-8031-3633-6, 128,00 €